Fragt man auf Elternabenden zum Thema „Sexueller Missbrauch“ Eltern danach, welche Verhaltensregeln sie ihren Kindern bislang mit auf den Weg gegeben haben, hört man sehr oft Sätze wie: „Lass Dich nicht von Fremden ansprechen“, Nimm von Fremden nichts an“, „Steig nicht zu Fremden ins Auto“ usw..
Auch viele Selbstbehauptungskurse und Selbstverteidigungskurse haben ihren Fokus immer noch auf diesem „Fremdtäter“.
Dass die oben genannten Strategien aber nicht ausreichend sind, wird schnell klar, wenn man sich das Verhältnis von Fremdtäter zu Bekannter Täter anschaut:
Nur ca. ein Drittel der Täter sind dem Kind vor der Tat nicht bekannt gewesen und entsprechen somit den Vorstellungen, welche die meisten Eltern von Tätern haben.
Zwei Drittel der Täter kommen aber aus dem Bekanntenkreis des Kindes - Opfer und Täter kannten sich also bereits schon vor der Tat!
Diese Zahlen bedeuten ganz konkret:
Fremdtäter: 34%
Bekannter Täter:
Bei den Tätern handelt es sich überwiegend um Männer (90%). Wir verzichten hier deshalb auch auf das Gendern.
Sie stammen aus allen Altersgruppen, Gesellschafts- und Bildungsmilieus.
Die eigentlichen pädophilen Täter sind in der Minderheit. Den meisten Tätern geht es um Machtausübung, d.h., sie bevorzugen es, ihre sexuellen Bedürfnisse mit deutlich schwächeren Partnern ausleben.
(Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2024)
Die oben genannten Zahlen beziehen sich allerdings nur auf das "Hellfeld", dass heißt auf die Fälle, die der Polizei bekannt geworden sind. Das "Dunkelfeld" wird um den Faktor 10 bis 20 höher geschätzt (siehe auch unser Blog-Beitrag Sexueller Missbrauch - wie viele Kinder sind betroffen?). Da im Dunkelfeld der Anteil der Bekannten Täter deutlich höher sein dürfte, gehen Beratungseinrichtungen eher von einem Verhältnis von bis zu 90% Bekannter Täter - 10% Fremdtäter aus.
Um Kinder zu schützen (vor dem bekannten Täter und dem Fremdtäter) und ihnen sinnvolle Handlungsstrategien mit auf den Weg zu geben, braucht es daher eine Herangehensweise, die über die anfangs beschriebenen Strategien weit hinausgeht – dies war und ist auch die zentrale Überlegung bei der Konzeption unserer Kinder-Trainings.
Autor: Thomas Unger
Zuletzt aktualisiert am 16.05.2025